Hebammensituation
aus Sicht der Hebammen des Geburtshauses im Mühlenkreis

Für uns ist der Hebammenberuf ein sehr schöner, befriedigender Beruf.
Wir schätzen die ganzheitliche Begleitung von Familien rund um die Entwicklung ihres Familienlebens.

In den letzten Jahren gab es viel Unsicherheiten durch einschneidende Veränderungen in unserem Beruf. Für viele Hebammen lohnte sich ihre Arbeit nicht mehr.

Im Jahr 2010 ging eine große öffentliche Bewegung durch die Reihen der Hebammen, interessierte Gesellschaftsschichten, Mütter, Väter, Großeltern, Politiker. Die Berufshaftpflichtversicherung wurde bis 2021 auf das 10 fache erhöht. Ist doch die Gruppe der einzahlenden Versicherten zu klein, um genügend Geld zu erwirtschaften, damit ein ev. Schaden, den ein Kind bei der Geburt erfahren könnte, ausreichend bezahlt werden kann. Der Beruf stand vor einem großen wirtschaftlichen Problem. Zahlreiche unserer damaligen Kolleginnen hatten daraufhin ihre Berufstätigkeit beendet. Geburtshäuser wurden geschlossen.

Daraufhin gab es Demonstrationen, Proteste, Petitionen, Vorträge vom Hebammenverband im Bundestag, politische runde Tische, etliche Verhandlungen zwischen Hebammenverbänden, Politikern, Krankenkassen, Schlichtungsstellen und immer wieder Warnungen der Hebammen an die Politik und die Krankenkassen über den bevorstehenden massiven Hebammenmangel, der zu erwarten war. Diese Warnungen haben sich schlussendlich bewahrheitet. Es wurde an vielen Stellen intensiv gearbeitet, aber für viele Kolleginnen hat das Verhandeln zu lange gedauert.

Höhepunkt der beruflichen Verunsicherung für uns Hebammen war die Ankündigung der damaligen Haftpflichtversicherer, die bestehenden Versicherungsverträge nicht weiter zu verlängern. Das wäre dann wirklich das Aus für den Beruf gewesen.

Dann fand sich ein neuer Zusammenschluss von Haftpflichtversicherern und es ging weiter: Bis 2024 sind die Hebammen weiterhin versichert, müssen aber dafür eine enorme Steigerung der Haftpflichtsumme akzeptieren. Damit zahlt eine Hebamme, die außerklinische Geburtshilfe anbietet heute rund 10.500 € Berufshaftpflicht im Jahr 2022. Bis 2024 steigt die Versicherung jährlich um ca.  550 €. Diese Kosten betreffen Hebammen mit dem Angebot der außerklinischen Geburtshilfe.

Dank des damaligen Gesundheitsministers Herrn Gröhe unterstützen uns die Krankenkassen seit 2015 mit der Übernahme von rund 75 % dieser Haftpflichtgebühren, dem sogenannten Sicherstellungszuschlag. Eine Hebamme leistet zunächst in Vorkasse die Zahlung der Haftpflichtprämie, wenn eine Betreuung ansteht. Wenn sie geleistete Rufbereitschaft, oder eine geburtshilfliche Leistung nachweist, kann sie im Anschluss an die durchgeführte Leistung den Sicherstellungszuschlag halbjährig beantragen. Wenn eine Begleitung stattgefunden hat.

Trotz dieser Verbesserungen hatten viele Hebammen nach diesen wirklich langen Jahren zermürbender Kämpfe und Warten auf Verbesserungen, ihren Beruf an den Nagel gehängt. Hatte sich für die Kolleginnen dennoch gezeigt, dass sie sich die außerklinische Hausgeburt nicht mehr leisten und sie damit nicht mehr anbieten können und wollen. Für die Geburtshausgeburtshilfe bekommen wir eine höhere Bezahlung, eine zusätzliche Betriebskostenpauschale. Ein Geburtshaus zu gründen bedeutet aber, viel Geld und Mut in die Hand zu nehmen.                                                          Doch wir möchten auch erwähnen, dass es seit 2020 wieder Kolleginnen gibt, die neu starteten, mit dem Angebot der außerklinischen Geburtshilfe. Das finden wir sehr schön.

Kurzfristig haben die genannten Änderungen den übrigen Hebammen eine Perspektive für die kommenden Jahre gegeben. Wir wünschen uns jedoch langfristige Sicherheiten für die Ausübung des Hebammenberufes in der außerklinischen Geburtshilfe. Es gibt Ideen aus Holland und England, die aber hier in unserer Politik leider bisher wenig Gehör finden. Denn nur die Politik kann diese Veränderungen herstellen. Dort gibt es steuergespeiste Fonds, aus denen den Hebammen die Haftpflichtversicherung bezahlt wird. In diesen beiden Ländern hat die außerklinische Geburtshilfe eine sehr große Akzeptanz, wird teilweise staatlich gefördert. Hebammen haben in diesen Ländern einen sehr hohen Stellenwert und fest zugeordnete Kompetenzen, wie die alleinige Versorgung der gesamten physiologischen Schwangerschaft. Wir würden uns diese Art der Haftpflichtfinanzierung auch für Deutschland wünschen. Jedoch ist uns klar, dass sich nicht alle berufspolitischen Entscheidungen eins zu eins auf andere Länder übertragen lassen.                                                                                                                                                                                       Im Zuge eines neuen Hebammengesetzes gibt es - bereits bei uns eingeführt - das Hebammenstudium. Es läuft derzeit noch parallel zu den Ausbildungen. Die Hebammenschulen haben ihre letzten Ausbildungsklassen laufen. Sind sie examiniert, wird es nur noch das Studim geben. Dadurch wurde eine Akademisierung des Berufes eingeführt. Dieses wird hoffentlich im Laufe der Zeit zu mehr Achtung unseres Berufbildes betragen. Aber noch nicht zu einer besseren Bezahlung.

Es hat sich auch in unserer Bevölkerung einiges in den letzten Jahren verändert. Für außerklinische Geburtshilfe in ständiger Erreichbarkeit und Rufbereitschaft zu leben, ist eine sehr starke Lebenseinschränkung. Kann man doch nicht einfach mal ins Kino fahren, wenn dort kein Handyempfang ist, oder sich spontan mit Freunden in Hamburg verabreden, wenn keine Vertretung gefunden wird. Immer liegt ein Handy auf dem Nachtschrank. Diese Bereitschaft möchten besonders viele junge Hebammen, oder Hebammen mit Familie heute nicht mehr leisten, weshalb es ausgesprochen schwer ist, neue Kolleginnen für ein Geburtshaus zu gewinnen. Die Work-Life-Balance ist heute in aller Munde. Da ist es ja fast schon altmodisch, noch solche Dienste anzubieten. Auch die Risikobereitschaft, in eine selbst gegründete Praxis zu investieren, mit Geld und Zeit und Haftbarkeit, ist  heute eher selten zu finden. Sich damit für einen längeren Zeitraum an etwas zu binden, ist das noch zeitgemäß?

Die Arbeitsbedingungen an uns Hebammen haben sich verändert/verschärft. Es ist ein hohes Maß an bürokratischem Aufwand hinzugekommen. Hebammen müssen mittlerweile , wie in vielen anderen Berufgruppen auch, ein Qualitätsmanagement vorweisen. Alle drei Jahre müssen Hebammen mit dem Angebot außerklinischer Geburtshilfe dieses durch ein externes Audit überprüfen lassen. Dies erleben wir als zeitintensiv und teuer. Das ist wenig verlockend und schreckt durchaus Hebammen ab, sich in die außerklinische Arbeit mit Geburtshilfe hineinzubegeben, oder ihr bisheriges Angebot aufrecht zu erhalten. Gute und qualitativ hochwertige Arbeit sollte die Voraussetzung all unseres Handelns sein. Nach den Berufsordnungen der einzelnen Bundesländer erfüllen wir unsere Fortbildungspflichten zum Erhalt unserer Kompetenzen. Wir sind interessiert daran, Qualität zu „liefern“. Uns ist dabei aber eine Machbarkeit im alltäglichen Arbeiten wichtig. Die Umsetzung des Qualitätsmanagements im Arbeitsalltag sollte immer noch genug Zeit für die Betreuten zur Verfügung lassen. Dieses Gleichgewicht ist für uns derzeit noch nicht spürbar.

Durch vergangene Schließungen vieler kleiner Kliniken aus wirtschaftlichen Gründen und der politischen Überzeugung, dass nur große Kliniken qualitativ verlässlich und wirtschaftlich arbeiten können, konzentriert sich die Geburtshilfe häufig nur noch auf große Geburtszentren. 2000 Geburten im Jahr sind in diesen Häusern nicht selten. Da muss eine Hebamme pro Dienst durchaus vier Frauen begleiten. Wir glauben, jede/jeder von uns kann sich vorstellen, was das für die Gebärenden und die Hebammen bedeutet. Die WHO fordert eine eins zu eins Betreuung während der Geburt. Das hofft auch unser Hebammenverband für die Zukunft von uns Hebammen und die begleiteten Familien. Auch diese Arbeitsbedingungen veranlassen  Kolleginnen, den Beruf aufzugeben, oder dann zumindest nicht noch zusätzlich in der freien Praxis Wochenbettbetreuung anzubieten. Was das bedeutet, merken hier im Raum Minden-Lübbecke seit einigen Jahren viele Familien schmerzlich. Sie suchen eine Hebamme und finden keine mehr, die Zeit für Sie hat.

Veränderungen brauchen Zeit. In Deutschland gibt es ein wirklich umfassendes Angebot der Versorgung rund um das Familienleben. Viele Betreuungsangebote wurden in den letzten Jahren gesetzlich verankert. Davon würden viele Kolleginnen anderer Länder träumen. Wir wünschen uns sehr, dass auch in Zukunft genug Hebammen diesen wunderbaren Beruf für sich entdecken werden. Hebammen sich nicht nur in der Klinik sehen, weil dort Gehalt und Arbeitszeiten sicherer sind, als es dies in der Freiberuflichkeit zunächst scheint. Hoffentlich erkennen Hebammen, dass der Spaß an der Arbeit nicht nur über die eben erwähnten Sicherheiten gegeben ist.
In wenigen Berufen gibt es eine solche Vielzahl an Gestaltungsmöglichkeiten, eigenverantwortlich zu arbeiten. Wir hoffen sehr, dass bald wieder mehr Hebammen Lust und Freude finden, ihren Beruf neu zu gestalten und jungen Familien viele Angebote zu ermöglichen. Für etwas zu brennen bleibt attraktiv und ist nicht altmodisch. Das wünschen wir neuen Kolleginnen und dadurch jedem neuen jungen Leben.